"Laßt uns doch auch endlich 'mal ein festes, vorgegebenes Stück
spielen!"?"Nee, da ist man so eingeschränkt, muß so viel
Text auswendig lernen."? "Sei nicht so faul! Außerdem weiß
man dafür genau, wo man dran ist und was man spielen soll.?? "Aber
bei einem eigenen Stück ist doch von einem selbst viel mehr drin.
Seit über 15 Jahren haben wir in der Theater?AG "TAM ? TAM" jeweils
eigene Stücke entwickelt. Nur unsere erste Aufführung ("Der Menschenfeind"
von Moliere in der Übertragung von Hans Magnus Enzensberger) ging von einer
festen Vorlage aus. Doch immer wieder gab es auch Schüler, die vorschlugen,
auf konventionelle Art Theater zu spielen. Nach unserer letzen Eigenproduktion
"Glückliche Nachbarn" hatte mich dann die Hälfte der Gruppe
so weit: Ich wollte mich mal wieder auf diese für mich sehr ungewohnte
Methode einstellen, trotz aller Vorbehalte, die ich natürlich hatte. Allerdings
war nur die eine Hälfte der Gruppe damit einverstanden, und so fanden wir
einen Kompromiß, der auch meinen Talentierten sehr entgegenkam. Zu dem
gespielten Text sollte auch improvisiert werden und, wenn möglich, sollten
aus diesen Improvisationen auch Teile in der Aufführung gezeigt werden.
Jeder Schüler konnte sich so aussuchen, ob er mehr mit festem Text arbeiten
oder lieber mehr frei spielen wollte.
Das Stück von Arthur Schnitzler war bald gefunden. So liefen die ersten
Textlesungen und parallel dazu spielten wir zu den verschiedenen Themenbereichen
des Stückes, wie z.B. Funktion des Theaters oder Fernsehens, Unterschied
von Theaterwirklichkeit und Realität, Zuschauer und Ereignis, Revolution
, Armut und Reichtum usw. Das Improvisieren war relativ problemlos, ernste Schwierigkeiten
traten, wie nicht anders zu erwarten, beim Text auf, und zwar beim Auswendiglernen,
ohne das eben kein Spielen möglich ist.
Und so standen wir im Herbst am Rande des Scheiterns des Projektes. Dazu kam,
daß die Gruppe inzwischen auf über 20 Mitglieder gewachsen war, und
sich die Unzuverlässigkeit von einigen dann immer gleich bei der Arbeit
der ganzen Gruppe auswirkten. Kurz bevor wir aufgaben, startete ich einen letzten
Versuch: Einige Schüler sollten die Regiearbeit übernehmen und in
eigener Verantwortung sollten die einzelnen Szenen so geprobt werden, daß
bis zur Probenfahrt nach Gummersbach der Text des ganzen Stückes stehen
sollte. Das brachte immerhin einen Schub vorwärts. aber ganz ohne den Druck
des Lehrers klappte es leider doch nicht. Und wenn auch die Texte bei weitem
noch nicht saßen, nach den Probentagen in Gummersbach hatte doch jeder
immerhin den Überblick über das Stück und vor allem die vielen
neuen Mitglieder der Theater?AG hatten sich in die Gruppe integriert. Auch die
Frage, wie man die Improvisationen in das Stück eingliedern könnte,
wurde gelöst: Außerhalb der Aula, vom Zuschauer durch die großen
Glasfenster getrennt. wodurch die Situation des Zuschauens nochmals thematisiert
wurde, sollten Einschübe sowohl den Zeitkontext als auch den Bezug zum
Betrachter von heute verdeutlichen.
Nach den recht munteren Tagen (und Nächten) in Gummersbach konnte eigentlich
nicht mehr viel schief gehen. Allen wurde der Ernst der Lage langsam aber sicher
klar. Probentermine wurden zunehmend pünktlicher wahrgenommen. Eine Gruppe
wollte sich mit der Programmgestaltung befassen, eine andere neue Gruppe wurde
eingerichtet, die sich mit dem Nähen der Kostüme befassen sollte.
Aber dann kam die Grippewelle und schon klappte es mit den Kostümen nicht
so wie geplant, manche Probentermine platzten, Klausurterinine kamen dazwischen...
Aber der ein oder andere wurde in seinem Text immer sicherer, wollte noch eine
Extraprobe, die einzelnen Szenen nahmen Gestalt an, Kostüme und Requisiten
wurden fertig.
Roland Eschner